Die 1960er Jahre waren politisch, ideologisch und gesellschaftlich eine Zeit des Wandels. Die 1968er Generation befreite sich mit einem Aufschrei von alten Konventionen und feierte die neugewonnene Freiheit bis zum Exzess. Dies hatte auch unübersehbare Konsequenzen für die Leinwand...
Mit dem Fall des Production Codes 1967 und der Einführung des freiwilligen Filmbewertungssystems ein Jahr später waren die Wege geebnet für Filme mit kontroversen Themen. Und diese liessen nicht lang auf sich warten.
Bereits 1966 erschien mit Michelangelo Antonionis "Blow Up" ein erster Prototyp einer neuen Generation von Filmen, welche sich konsequent mit gesellschaftlichen Tabus auseinandersetzten. Im Zentrum der Handlung steht ein Modefotograf (David Hemmings), der beim unerlaubten Fotografieren eines Liebespaares ungewollt einen Mord aufzeichnet.
Der Film enthält einige für damalige Verhältnisse gewagte Szenen wie z.B. diejenige, in der der Modefotograf ein blondes Model fotografiert und dabei den Eindruck erweckt, als ob es sich um einen sexuellen Akt handelt.
Mit "Blow Up" leuchtet Regisseur Antonioni raffiniert die voyeuristische, sexuelle und manipulative Seite des Menschen aus. Gleichzeitig zeichnet er ein gelungenes Bild der Beat-Generation der 1960er Jahre.
Griff "Blow Up" bereits kontroverse Themen auf, so wagte sich Mike Nichols mit "Die Reifeprüfung" 1967 noch weiter in gesellschaftliche Grenzzonen vor. In Nichols für heutige Verhältnisse eher harmlosem Streifen verführt die verheiratete Mrs. Robinson (Anne Bancroft) den jungen und ziellosen Studenten Benjamin Braddock (Dustin Hoffmann).
Erstmals in der Geschichte des Kinos stand die Beziehung einer älteren verheirateten Frau mit einem jüngeren Mann im Zentrum der Filmhandlung. Aus diesem Grund wurde "Die Reifeprüfung" seinerzeit als revolutionär eingestuft und löste heftige Kontroversen aus.
Diese Aufmerksamkeit brachte dem Streifen viel Publicity und "Die Reifeprüfung" war schliesslich mit weltweiten Verleiheinnahmen von 85 Mio. $ (davon 39 Mio. in den USA und Kanada) einer der erfolgreichsten Filme der 1960er Jahre. Ein wesentlicher Anteil am Erfolg des Streifens hatte dabei das jugendliche Publikum. Dieses war nicht nur die neue Zielgruppe Hollywoods sondern auch rege an sozialen Themen interessiert. Dabei war diese junge und veränderungshungrige Generation insbesondere an Tabubrüchen interessiert.
Noch im selben Jahr kamen mit "Rat mal, wer zum Essen kommt?", "In der Hitze der Nacht" und "Spiegelbild im goldenen Auge" weitere Filme in die Kinos, welche sich gekonnt mit gesellschaftlichen Tabus auseinandersetzten.
"Rat mal, wer zum Essen kommt?" und "In der Hitze der Nacht" nahmen sich beide auf unterschiedliche Weise dem Thema Rassismus an. Ersterer handelt von einer jungen Frau, welche ihren schwarzen Freund ihren konservativ-liberalen Eltern (Spencer Tracy, Katherine Hepburn) vorstellt, während letzterer von einem schwarzen Polizisten handelt, der einen Mord in einer Südstaaten-Kleinstadt aufklären soll und dort mit offenem Rassismus konfrontiert wird.
Während "Rat mal, wer zum Essen kommt?" mit pointiert-geistreichen Dialogen die Vorurteile konservativer Rassenvorstellungen ad-absurdum führte, nahm "In der Hitze der Nacht" kein Blatt vor den Mund und thematisierte diese offen. In beiden Streifen spielte Sidney Poitier die Hauptrolle, der dadurch zur Galionsfigur der schwarzen Bewegung im Kino avancierte.
Obwohl die beiden Streifen das Thema Rassismus aus unterschiedlicher Perspektive behandelten wurden beide grosse Kassenerfolge. "Rat mal, wer zum Essen kommt" war mit US-Verleiheinnahmen von 25,5 Mio. $ gar hinter "Die Reifeprüfung" der grösste Kassenschlager des Jahres 1967. Doch auch "In der Hitze der Nacht" musste sich mit Einnahmen von fast 11 Mio. $ nicht verstecken.
Während "Rat mal, wer zum Essen kommt?" und "In der Hitze der Nacht" die Öffentlichkeit in Bezug auf das Thema Rassismus sensibilisierten, versuchte Regielegende John Huston dasselbe mit dem Thema Homosexualität mit "Spiegelbild im goldenen Auge". Erzählt wird darin die Geschichte eines amerikanischen Majors (Marlon Brando), der, obwohl glücklich verheiratet, an seiner sexuellen Identität zweifelt. In einer im geheimen aufbewahrten Schachtel bewahrt er Gegenstände auf, die ihn an erregende Erlebnisse mit anderen Männern erinnern. Seiner attraktiven Frau (Elizabeth Taylor) entgehen jedoch seine sexuellen Neigungen nicht, was sie dazu veranlasst über seine "Impotenz" zu spotten und ihn blosszustellen.
Hustons psychologisches Drama spielt gekonnt mit Brandos maskulin-rebellischem Image und schaut dabei hinter die Fassade übertrieben zur Schau gestellter Männlichkeit. Trotz der exzellenten Besetzung konnte der Streifen jedoch weder Kritik noch Publikum überzeugen und brachte in den USA lediglich Verleiheinnahmen von 1,5 Mio. $.
Besser als "Spiegelbild im goldenen Auge" erging es da schon Dennis Hoppers Road-Movie "Easy Rider" (1969), der wohl wie kein anderer Film das Gefühl und den Geist der 68er Revolution darzustellen vermochte. Erzählt wird die Geschichte zweier Motorradfahrer (Peter Fonda, Dennis Hopper), die auf Ihrer Fahrt zurück von der mexikanischen Grenze u.a. Hippies, Anwälten und Rednecks begegnen.
Dabei werden sie jedoch keineswegs immer mit offenen Armen aufgenommen sondern stossen auch auf offene Feindseligkeit. "Easy Rider" wiederspiegelte brillant das Lebensgefühl einer Genration, die sich aufmachte, nach ihrer wahren Identität zu suchen.
Kaum ein Film der 1960er oder 1970er vermochte den Zusammenprall konservativer und liberaler Werte so gelungen in Szene zu setzen wie das vielschichtige Road-Movie. Es war deshalb kein Wunder, dass "Easy Rider" mit US-Verleiheinnahmen von 16,9 Mio. $ einer der grössten Hits des Jahres 1969 wurde.
1969 schliesslich kam mit Asphalt-Cowboy ein weiterer Meilenstein der Emanzipation des Kinos auf die Leinwände. Darin spielt Jon Voight einen als Cowboy verkleideter Tellerwäscher, der in New York seine Brötchen als Gigolo verdienen will. Dabei trifft er auf den Kleinganoven Rizzo (Dustin Hoffman), der ihn zuerst zwar übers Ohr haut, ihm anschliessend aber helfen will, im Sexbusiness Fuss zu fassen.
John Schlesinger gelang mit "Asphalt-Cowboy" eine gelungene Kritik am amerikanischen Way of Life und zeigt vor allem dessen düstere Seite auf. Er fungierte quasi als exzellentes Beispiel für die Demontage des amerikanischen Traums.
Das Aussenseiterportrait war der erste Film, der ein X-Rating von der Freiwilligen Selbstkontrolle erhielt und war damit gleich eingestuft wie ein pornografischer Film. Das X-Rating wurde 1971 ins noch heute gültige R-Rating umgeändert.
Dessen ungeachtet brachte es der nur 3,2 Mio. $ teure Streifen allein in den USA auf Verleiheinnahmen von über 20 Mio. $ und gewann insgesamt drei Oscars (u.a. in den Königskategorien Bester Film und Beste Regie).
Quellen: